Die Gattung Aloe hat leider einen etwas schwierigen Standpunkt im Bereich der Kakteen und Sukkulenten Sammler*innen.
Auf der einen Seite bieten sie einen guten Einstieg für Anfänger, da die meisten sehr anspruchslos in ihrer Pflege sind. Allerdings werden in den meisten Gartencentern und Pflanzenshops nur wenige verschiedene Arten abseits der Aloe Vera angeboten, weshalb man relativ schnell keine neuen Formen mehr findet.
Auf der anderen Seiten sind sie für die Erfahrenen oft eher als "Langweillig" stigmatisiert, da sie häufig keine besondere Herausforderung in der Pflege bieten und dazu noch keine unfassbaren Preise aufrufen (meistens!).
Irgendwo dazwischen liegt nun meiner Meinung nach Aloe castilloniae. Die Pflanze selber wurde erst 2006 von dem Französischen Forscher Jean-Bernard Castillon in der Zeitschrift Succulentes beschrieben! Sie ist also eine relativ "junge" Spezies und wurde auch nur sehr begrenzt in die Kultur entlassen. Zusammen mit ihrem, für eine Aloe relativ langsamen Wuchs, etablierte sich die Pflanze selbst für nicht-Aloesammler zu einer Interessanten Ergänzung der Sammlung! Zudem befinden sich nun auch mehrere Formen in Kultur, welche die Art selber nochmals Sammelns-werter macht! So kann die Blattoberseite entweder viele rote Dornen aufweisen, oder auch komplett Nackt sein. Dazu aber später mehr!
Entdeckung und Standort
Da Madagaskar sowohl Klimatisch als auch vom Bodengrund sehr Variabel ist, schadet es nicht, erstmal einen Blick auf den von J. Castillon beschriebenen Standort und die dortigen Bedingungen zu werfen! Der erste Auffinde Ort befand sich am Sogenannten "Mahafaly-Plateau" (vgl. Castillon, 2006, S. 21) welches eine, sich im Süden von der Stadt Toliara befindliche trocken-Region ist. Die Böden bestehen laut Castillon größtenteils aus Kalkstein und Sand und die Vegetation wird von dornigen Euphorbiaceaen dominiert. Hier beschränkt sich der Niederschlag auf rund 250mm pro Jahr, häufig sogar weniger (vgl. Castillon, 2006, S. 22).
Die Erstbeschreibung lautet wie folgt: "Pflanze, die an der Basis zahlreiche Stängel hervorbringt, die sich verzweigen und über den Boden oder Kalksteinfelsen ausbreiten, bis sie dichte Büschel mit einem Durchmesser von fast 1 Meter bilden; zylindrischer Stängel, 1 cm Durchmesser, bis 40 cm lang, kahl oder mit trockenen Blättern am Boden. 30–40 Blätter pro Pflanze, in 5 Reihen angeordnet, dreieckig, wobei die Enden meist in 1–3 kleinen Stacheln enden und in der Trockenzeit gegen den Stängel gefaltet sind, 6 cm lang, 1,5 cm breit an der Basis und unterschiedlich dick bis 10 mm je nach Jahreszeit; Oberseite konkav oder flach, bläulichgrün und mit einigen 1–2 mm hohen roten Stacheln; Unterseite konvex, gleichfarbig und ebenfalls vereinzelt mit Stacheln versehen; Der Blattrand ist mit ziemlich harten, roten Deltadornen versehen, die 2 mm hoch sind und einen Abstand von 3 bis 6 mm haben. Blütenstiel 6,5 cm lang, Pauciflore; Blassroter Stiel, 5 cm lang, an der Basis plankonvex, 3 mm breit und weiter oben schmaler, trägt oberhalb der Mitte 2-4 leicht umhüllende, sterile Hochblätter von 5 mm Länge und 1 mm Breite. Traube 1,5 cm lang, 4–5 cm im Durchmesser, mit 2–9 Blüten; waagerechte bis freistehende Blütenknospen, offene, hängende Blüten; kleine, kastrierte weiße Blütenhüllblätter, etwa 2 mm lang; Rötliche Blütenstiele, etwa 8 mm lang und 1 mm dick, leicht gewölbt, zylindrisch ausgestellt, 23 mm lang, orange-gelb, mit einer flachen Basis von 6 mm Breite, auf Höhe des Fruchtknotens auf 4 mm verengt , dann zum Ende hin verbreitert Hals mit einem Durchmesser von 8 mm; Äußere Blütenblätter frei, aber an der Basis konniventiv bei 3 mm, 22 mm lang und 4 mm breit, mit leicht abgerundeten Enden mit 2-3 Rippen; freie innere Blütenblätter, breiter (6 mm), mit rotem Rückenkiel und stumpferen Enden; gelber Stil 1/2 mm dick und 18 mm lang; hervorstehende Narbe 1-3 mm; gelbe Filamente 23 mm lang, an der Basis 2 mm dick und 1 mm höher; rote Staubbeutel, 2x1 mm groß, endlich eingeschlossen oder kaum sichtbar; Eierstock zylindrisch, gelb, 5x2 mm. Unbekannte Frucht , bei der Pflanze höchstwahrscheinlich eine Kapsel." (Castillon, 2006, S.23-24)
An ihrem Standort wachsen die Pflanzen hängend von Klippen herab und erhalten vermutlich den Großteil ihres Wasserhaushaltes von Regen-Abwasser, welches die Felsen hinab läuft. Interessant an Castillons Erstbeschreibung ist, dass er die Blätter als Ober- und Unterseitig bestachelt beschreibt (vgl. Castillon, 2006, S. 23). Auf den Standortbildern bei der Veröffentlichung sind allerdings ausschließlich Pflanzen der glatt-Blättrigen Form zu erkennen (Abb. 1). Außerdem wurde die ursprüngliche Population, welcher die Erstbeschreibung zugrunde liegt, bis heute nicht wiedergefunden.
Abb. 1 (Castillon, 2006)
Die Pflanzen in Kultur - Pflege
Meiner Erfahrung nach gefällt es A. castilloniae besser, einen etwas kleineren als einen größeren Topf zu haben. Wenn das Erdvolumen zu groß ist, steckt die Pflanze viel mehr Energie in das unterirdische Wachstum und bildet dadurch langsamer neue Triebe. Also auch beim umtopfen lieber nur maximal einen Daumen breit Platz vom Rand des Topfes lassen.
Auch wenn die Pflanzen in Natur auf Kalksteinklippen anzutreffen sind, ist es nicht unbedingt notwendig, dem Substrat Kalk beizumischen (So wie es z.B. für A. calcairophylla wichtig ist). Ich nutze für die Pflanzen eine Mischung aus 70% mineralischem Anteil wie Bims und Schieferbruch, und ca. 30% organische Bestandteile wie Pinienrinde und Blumenerde. Besonders im Sommer gefällt es ihr auch, wenn sie etwas mehr Wasser erhält. Dadurch ist es möglich 2-3 Blühphasen pro Jahr zu erreichen!
Neuerdings probiere ich, die Pflanzen in Hängetöpfen zu kultivieren, da sie auch an ihrem Standort von Klippen hängen. Dieser Standort sorgt allerdings auch dafür, dass die Pflanzen volle Sonne erhalten. Aloe castilloniae, die auf diese Weise kultiviert werden, neigen dazu, die Epidermis bräunlich bis rötlich zu verfärben. Besonders die Randdornen der Blätter erhalten dadurch eine sehr schön kräftige rote Farbe! Das schadet den Pflanzen nicht, fordert aber noch mehr Aufmerksamkeit, Ihnen genug Wasser zu geben.
Wie viele Sukkulenten der Südhalbkugel wächst auch Aloe castilloniae bis in die Wintermonate hinein aktiv und benötigt auch in dieser Zeit vorsichtig hin und wieder Wasser. Gedüngt werden die Pflanzen bei mir nur 1x pro Saison mit ganz normalen Kakteendünger. Düngt man häufiger, kann es durchaus passieren, dass die Pflanzen ihren kompakten Wuchs verlieren und unnatürlich wachsen.
Auch wenn es nur eine Art ist, wird zwischen zwei Formen unterschieden. Es gibt Form I, die eine komplett glatte Blatt-Oberseite besitzt und nur Zähne an den Rändern der Blätter besitzt und Form II, die eine sehr stark gezahlte Blattoberfläche aufweist. Form II ist dabei wesentlich häufiger in Kultur zu finden, da sie vor einiger Zeit in Tissue Culture vermehrt wurde.
Quellen:
Llifle: https://www.llifle.com/Encyclopedia/SUCCULENTS/Family/Aloaceae/29329/Aloe_castilloniae
Castillon, J.B. (2006), Aloe castilloniae, un nouvel Aloe (Asphodelaceae) du Sud-Ouest Malgache, in: Succulentes, 2006, Vol. 3 (S. 21-24)